Dunkel lag der Schatten des Waldes vor ihm. Kalt pfiff der Wind um sein Gesicht und wehte eine Regenböe nach der anderen hinein. Die Kapuze seines rotschwarzen Umhangs bot nur wenig Schutz. Im Gesamten war sie zu weitläufig genäht und so hatten Wind und Regen eine ausreichende Angriffsfläche auf sein Gesicht rechts und links des Saums. Mit gesenktem Kopf schritt er weiter, lauschte dem schmatzendem Geräusch des Wassers unter seinen Schritten. Es dämmerte, die Sonne war schon beinahe untergegangen. Grünes Licht schimmerte in den Pfützen.
Grünes Licht?
Er hob den Kopf. Wenige Schritte trennten ihn vom Waldrand. Unnatürlich grünes Licht fiel durch die Bäume nach draußen. Unnatürlich? Übernatürlich!
Es bereitete ihm jedoch kein Unbehagen. Wieder senkte er den Kopf, schwang seinen Stock nach vorne und schritt in den Wald.
Das grüne Licht hüllte ihn völlig ein, als er den Wald betrat. Wohlige Wärme umgab ihn und er streifte seine Kapuze zurück. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte er sich, dass ihm niemand folgte. Draußen regnete es.
Ohne genau zu wissen, wo sein Ziel lag, folgte er dem Weg. Während er weiter ging, streifte sein Blick durch die Bäume. Das grüne Schimmern lag wie eine Glocke über dem Wald. Kein Tropfen drang hindurch. Kein Tropfen, kein Laut, nichts was je einen normal Sterblichen aufmerken lassen würde…
Der Weg führte quer hindurch, der Wald öffnete sich zu einer Lichtung. Fackelschein drang zu ihm durch und etwas, was sich wie der Wind in den Bäume anhörte. Er konnte sieben Gestalten in der Mitte der Lichtung wahrnehmen. Sie waren also bereits vollzählig. Die Lichtung selbst wurde gesäumt aus einem Kreis von Dutzenden der verschiedensten Lebewesen. Als er die Lichtung erreichte, glitten zwei in schwarz gehüllte Gestalten auf ihn zu. „Wizard Nostrok. Ihr werdet bereits erwartet.“ „Ich wurde aufgehalten.“ Sanft aber bestimmt schob Nostrok den Wächter beiseite und trat in die Mitte der Lichtung. „Grüße Nostrok“, raunten die Stimmen der anderen. „Ich grüße euch. Verzeiht meine Verspätung, ein Waldschrat hielt meinen Stab für die Überreste seines Bruders. In Zukunft wird er sich nicht mehr um Hölzernes zu scheren brauchen.“
Nostrok reihte sich in den Kreis der anwesenden Acht ein. Aus dem Kreis glitt einer in die Mitte. Nostrok kannte ihn. Es war der Elb Loron, Vater des Volkes von Halam im Wald Loronien. Er war der erste Sprecher der Vereinigung der weltlichen Magiebegabten. Blick schweifte in der Runde. Alle Zirkel hatten ihren Vertreter gesandt. Loron als Vertreter der elbischen Magier, Warek der Zwergenmagier, Jeron, der Vertreter der menschlichen Magier, Xer'Barscht, seines Zeichens Vertreter der echsischen Magier, die Hexe Lina für ihre Zunft, Herus, ein Mensch und gleichzeitig Druide. Der siebte war Rastlin, ein Nekromant. Viele aus der Vereinigung hatten ihm anfangs nicht getraut. Doch unter der Führung von Loron hatte Rastlin sich schließlich doch bewährt. Welcher Spezies er angehört oder angehörte, hatte er nie erwähnt. Was zum größten Teil daran lag, dass er noch nicht gefragt wurde. Sein Auftreten und seine Aura wirkten Respekt einflößend auf einige der Mitglieder. Angst hatte jedoch niemand mehr vor ihm. Nostrok spekulierte, dass er ein Elb sein musste oder halt mal einer war. Seine Behändigkeit und Fingerfertigkeit mussten elbischen Ursprungs sein.
Nostrok war der letzte im Bunde. Vertreter der urmenschlichen Magier. In den Zeitkriegen hatte er seine Macht bewiesen. Man spekulierte er sei seither unsterblich. Bewiesen war es nicht.
Loron hob die Hände. „Freunde, ich grüße euch. Habt Dank für euer Kommen. Berichtet mir über die Ereignisse des vergangenen Jahres. Warek, was gibt es zu berichten aus der Welt der Zwerge?“ Warek strich mit der Hand durch seinen vollen Bart. „Nichts Beängstigendes für einen Zwerg. Unsere Städte florieren und das Gold glänzte nie heller. Wir können nicht klagen.“ Die Hexe Lina lachte schallend. „So können nur Zwerge reden. Gold und Geld, mehr gibt es für euch nicht. Eines Tages werden einige von euch aus den Bergwerken kriechen und merken, dass die restliche Welt auf der Oberfläche bereits tot ist. In meiner Zunft wird seit Monaten nur von der Prophezeiung gesprochen. Steine und Knöchelchen fallen ungünstig zurzeit.“ „Jenseits der dunklen Wälder kommt Bewegung auf. Auch wir haben das bemerkt“, mischte Jeron sich ein. „Vielleicht ist eine zweite Finsternis nahe.“ Aufgeregtes Flüstern ging durch den Kreis. Eine zweite Finsternis? Stand es denn wirklich schon so schlimm? Nostrok überlegte. Ja, Zeichen hatte auch er gesehen, nur waren sie nicht so deutlich. Er beschloss abzuwarten und weiter zuzuhören. „Es ist wohl zu früh, schwarzseherisch zu sein. Panik bei den Nichtmagischen nützt uns nichts.“, äußerte sich Herus. „Ich stimme dir zu“, warf Loron ein. „Es ist sicher zu früh für eine Panik. Dennoch sollten wir beraten, was zu tun ist und wie unsere Position aussieht, beziehungsweise aussehen könnte.“ „Die Schatten sind zu neuer Kraft gekommen. Sie sind auf dem Wege mächtiger zu werden als je zuvor.“, warf Rastlin ein. „Die zweite Finsternis ist fern. Doch sollten wir trotzdem schon für morgen planen und uns rüsten. Sie darf uns nicht unvorbereitet treffen.“ Bemerkenswert, dachte Nostrok. Sicher kann ein Nekromant nur von Vorteil sein, wenn es zu einer Begegnung mit der Dunkelheit kommt. Er müsste ja am besten wissen und spüren, was vorgeht. „Welche Meinung habt ihr?“, wandte sich Loron an Nostrok. „Wir besitzen einen mächtigen Trumpf. Zwei vollständige Seelensteine befinden sich in meinem Besitz. Um die dunkle Macht zu bannen oder zu beschwören benötigt man drei. Der dritte Stein jedoch ist in viele kleine Fragmente zerschlagen worden. Es ist also unmöglich die geballte böse Macht zu erwecken.“ „Unmöglisch zind nur die Dinge, die man nisch tut.“, zischte Xer'Barscht. „Ich halte es für wichtig tzu klären, wer von unz nisch bereit ischt, dem Bözen gegenübertzutreten. Wir zollten unz ruhig verhalten und mobilizieren, aber nisch in Panik verfallen, da ztimme ich Loron tzu.“ „Dann frage ich euch“, wandte sich Loron an die Anwesenden, „wer von euch steht nicht an unserer Seite?“. Nostrok musterte jeden der Vertreter der Zünfte. Warek trat vor. Rastlin tat es ihm gleich. „Die Zwerge haben kein Interesse an weltlichen Eroberungen.“ „Ach nein?“ warf Nostrok ein. „Ich erinnere mich an die Schlacht am Finsterkamm. Dort ging es den Zwergen natürlich nur um die goldreichen Adern der Berge. Die tausende Hektar Land herum, habt ihr als Übel mitgenommen. Natürlich ist der Profit dort durch den Landbau Nebensache.“ Warek warf ihm einen düsteren Blick zu. „Trotzdem werden wir uns vorerst raushalten. Noch ist nichts bewiesen.“ „Was ist mit dir Rastlin?“, fragte Loron. „Ich werde mich beraten müssen. Wenn wir kämpfen, dann auf eurer Seite, jedoch werden wir es nicht offensichtlich machen können, wenn wir einen Vorteil aus unserem Pakt schlagen wollen.“ „Dann ist es beschlossen“, sagte Loron. „Wir werden wachsam sein und uns rüsten. Doch handelt weiter bedacht.“
Die Gruppe löste sich voneinander. Jeder der Vertreter schwebte auf seine Begleiter im äußeren Kreis zu. Nostrok wechselte noch einige Worte mit Loron. „Seid auf der Hut, Nostrok. Keiner weiß so gut wie Ihr, dass das Böse viele Gesichter hat.“ „Ich sehe noch nicht die wirkliche Gefahr, Loron, doch ich werde die meinen vorbereiten. Lebt wohl.“
Nostrok kam auf mich zu. „Was werden wir tun Meister?“ „Zurückkehren. Ich werde versuchen so viele Fragmente wie möglich vom dritten Seelenstein zu bekommen. Dem Bösen muss jede Möglichkeit genommen werden.“
T.
Chronist des Zirkels der Magier